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Die "Jugo-Schweiz"

 

Im kommunistischen Jugoslawien hat man f�r die Albaner, die vorwiegend Kosovo und Westmazedonien bewohnten, den Namen "�iptari" (von albanischem Wort Shqiptar�) gebraucht. Als Soldat der jugoslawischen Armee wurde ich von den Soldaten albanischer Herkunft diskret darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich untereinander zwar so nennen, aber f�r mich, wie f�r alle, die ihre Sprache nicht sprechen, seien sie Albaner. Den von den Nichtalbanern ausgesprochenen Namen "�iptari" verbinden sie mit Ausgrenzung, Benachteilung und �chtung. Ich habe rasch begriffen, dass ich ein Opfer der �ffentlichen Meinung war und dass es meine Aufgabe sei, den Willen der Albaner zu respektieren.

Die Herrschaft der �ffentlichen Meinung ist so alt wie der Mensch und sie wird so lange dauern wie er selbst. "Das Gesetz der �ffentlichen Meinung ist das allgemeine Gravitations�gesetz der politischen Geschichte", heisst es bei Ortega y Gasset. Aber die �ffentliche Meinung muss, wenn sie nicht zur Produktion von Feindbildern verkommen will, m�glichst nahe der Realit�t sein und an dieser �berpr�ft und immer wieder korrigiert werden. Sobald sie sich verselbst�ndigt, beeinflusst sie die Wirklichkeit, statt sich von ihr beeinflussen zu lassen. Die �ffentliche Meinung - nicht nur in der Schweiz - hat aus dem kommunistischen Jugoslawien eine realit�tsfremde Idylle gemacht und diese auf seine Immigranten projiziert. Mit dem Niedergang des jugoslawischen Staates verschwanden auch die k�nstlich erzeugten Illusionen von seinen B�rgern.

Die Vorurteile, die in einem Teil der schweizerischen �ffentlichkeit gegen�ber den Slowenen, Kroaten, Bosniaken, Serben, Albanern, Mazedoniern und Montenegrinern seit einem guten Jahrzehnt permanent gesch�rt werden, weisen eindeutig auf die kollektive Nicht�bew�ltigung der Geschichte mit dem Zerfall des kommunistischen jugoslawischen Staates bei gewissen Kreisen in der Schweiz hin. Die einstige Sympathie wird zun�chst zur latenten, dann aber zur offenen Antipathie. Als Rechtfertigung dieses Wandels wird die mangelnde Integration in die schweizerische Gesellschaft festgestellt, wobei anzumerken ist, dass keine allgemeing�ltige Definition von einem integrierten Ausl�nder besteht. Und als Beweis daf�r liefern uns die Medien erfundene Klischees �ber "Jugos", "Ex-Jugoslawen", "Balkan", "Westbalkan", obwohl es allen bewusst ist, was f�r ein Preis f�r die Eigenstaatlichkeit bzw. f�r die politische Anerkennung des Volksnamens bezahlt wurde.

Diesem Ph�nomen ist Philipp K�mpf in seinem Buch Die "Jugo-Schweiz" (R�egger Verlag, Z�rich/Chur 2008) nachgegangen. (�ber den Autor sind im Buch keine Angaben zu finden.) Im ersten und umfangreichsten Teil des schmalen Buches von 109 Seiten fasst der Autor seine Beobachtungen, Eindr�cke, Erfahrungen und Erlebnisse aus dem Alltag unter dem Titel "Pl�doyer" zusammen.

Ein Metzger in der vornehmen Z�richsee-Gemeinde Kilchberg hat im Keller seiner Metzgerei eine zus�tzliche Metzgerei eingerichtet f�r die Menschen, die Fleisch anders als die Einheimischen einkaufen. Weil sich viele Fremdarbeiter ein Festessen im Restaurant nicht leisten k�nnen, besorgen sie sich f�r ihre Familienfeste gr�ssere Mengen Fleisch. Wirtschaftlich gesehen profitiert eine Metzgerei statt ein Restaurant.

Philipp K�mpf beschreibt eine Episode mit einer M�nnergruppe, die in einem Zugsabteil sitzt und fr�hlich und laut wird. Die M�nner haben wahrscheinlich mehr als ein Glas getrunken. Als sie den Zug verlassen, f�llt die Bemerkung "typisch" und "Jugo", dabei sprachen die Unruhestifter portugiesisch. Unwissen und Verwechslungen f�hren auch bei Einb�rgerungen zu grotesken Situationen, so dass �ber die "katholischen und orthodoxen Muslime aus Rheineck" berichtet wird. Der Autor stellt seinen Sinn f�r Situationskomik unter Beweis, indem er eine Dame im Rollstuhl beschreibt, die sich von einem sympathischen jungen Mann durch den Zoo chauffieren und den Hintern abwischen l�sst, dabei �ber die "Ex-Jugoslawen" herzieht, ohne sich zu fragen, woher der Pfleger stammt.

Besonders schmerzlich ist die �bertragung der Klischees in die Schulen, was den P�dagogikprofessor Winfried Kronig zur Feststellung veranlasst, dass der "Schulerfolg weitgehend Zufall" sei. "Beim schlechteren Schulerfolg von Kindern aus gewissen Herkunfts-l�ndern spielen m�glicherweise negative Erwartungshaltungen der Lehrer eine Rolle; diese w�rden solche Sch�ler aufgrund von nicht leistungsbezogenen Faktoren (Herkunft, sozialer Status) untersch�tzen", schreibt K�mpf unter Berufung auf Kronig. Und er zitiert eine brisante Analyse von Kronig, welche auf den Profit der einheimischen Kindern hindeutet: "Sch�ler aus privilegiertem Elternhaus und aus ans�ssigen Familien haben bei gleichen Leistungen 30 Prozent h�here Chancen auf einen anspruchsvollen Bildungsweg".

Das Buch enth�lt eine Menge an Bildern, Erfahrungen, Erlebnissen, Fakten, Analysen und Eindr�cken, die in dieser Besprechung unm�glich wiederzugeben sind. Es bietet viel mit Humor durchgesetztes Anschauungsmaterial, das zum Nachdenken anregt. Der Autor stellt beispielsweise fest, dass die mitteleurop�ische K�che so viele �hnlichkeiten aufweist, auch wenn die Speisen unter einem anderen Namen angeboten werden, dass es v�llig deplaziert ist, von der Originalit�t einer oder von der Fremdheit der anderen K�che zu sprechen. So entwickelt er auch eine Vision von der Schweiz im Zentrum Europas, dank dem slawischen Element. "Die Schweiz mit den lateinischen und den deutschen Sprachregionen, kombiniert mit dem immer st�rker werdenden slawischen Sprachanteil (mehrere Hunderttausend), wird zum kommunikativen Zentrum Europas". Wenn die Kinder in Z�rich nebst franz�sisch und in Genf nebst deutsch eine slawische Sprache lernen w�rden, w�rde die Schweiz am Erfolgsmodell �sterreich im osteurop�ischen Raum ankn�pfen. "So schaffen wir kulturell und wirtschaftlich den Anschluss an die Wachstumsm�rkte des Ostens". Gleichzeitig warnt er vor gef�hrlicher Gettoisierung. "Es darf nicht sein, dass Ausl�nder, und speziell mit einem - vi�-Namen, in die Ecke gedr�ngt werden, dass sie schlechtere Chancen bei Berufs- und Wohnungswahl haben. Dann w�rde tats�chlich einer sozialen Gettoisierung Vorschub geleistet". Der "Jugo" bedeutet im Schweizerdeutsch eine nichtexistente, formlose, unzivilisierte, gewaltbereite Masse, im Kroatischen den S�dwind, der nur schwere, melancholische K�pfe, Wolken und Regen bringt. Der kalte Nordwestwind erst sorgt f�r klare K�pfe.

Der zweite Teil des Buches enth�lt die Interviews mit der bekannten Schriftstellerin kroatischer Herkunft Dragica Raj�i�, dem serbischst�mmigen Studenten Dragan Ljubisavljevi� und dem serbischst�mmigen Fussballspieler Sreto Risti�. Im dritten Teil portr�tiert der Autor den kroatischst�mmigen Ex-Mister-Schweiz, Robert Ismajilovi�, und den aus dem Umfeld der Universit� Populaire Albanaise in Genf hervorgegangenen, erfolgreichen Unternehmer albanischer Herkunft, Azem Hyseni. Im vierten Teil des Buches l�sst der Autor Fakten sprechen und kommt zum Schluss, dass in der Schweiz rund 450'000 Menschen mit slowenischen, kroatischen, bosniakischen, serbischen, montenegrinischen, albanischen und mazedonischen Wurzeln leben, was gegen sieben Prozent oder rund jeden 15. Bewohner der Schweiz ergibt. Unter dem Titel "Ein Blick nach S�dost" sind die wichtigsten Daten �ber die neu entstandenen Staaten zu finden. In kurzen Interviews kommen noch der slowenische und der kroatische Botschafter sowie die bosnisch-herzegowinsche Botschafterin zu Wort.

Das Thema liesse sich �ber den Alltag hinaus beliebig ausweiten. Vor mir liegt ein "Arbeitspapier zu den Deutschkompetenzen der Z�rcher Bev�lkerung" vom B�ro f�r Integrationsf�rderung der Stadt Z�rich (Januar 2008). Statistisch werden die Slowenen, Kroaten, Bosniaken, Serben, Albaner, Mazedonier und Montenegriner noch immer als Ex-Jugoslawen erfasst. Im zweiten Papier "Indikatoren zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lage von immigrierten Minderheiten in der Stadt Z�rich", ebenfalls vom B�ro f�r Integrationsbef�rderung der Stadt Z�rich (Januar 2008), werden die Slowenen, Kroaten, Bosniaken, Serben, Albaner, Mazedonier und Montenegriner ebenfalls als Ex-Jugoslawen erfasst. Hier stellt sich die berechtigte Frage, ob jemand zur Integration aufgefordert werden kann, dessen Name es nicht verdient, erw�hnt zu werden. Wer ist hier �berhaupt der Ansprechpartner der schweizerischen offiziellen Stellen?

Vor einem Jahr ist ebenfalls im R�egger Verlag eine Studie der Hochschule f�r Soziale Arbeit Z�rich unter dem Titel "Jugendliche aus dem Balkan" erschienen. Die Autorinnen schreiben: "In der vorliegenden Untersuchung werden Jugendliche mit Herkunft aus dem Westbalkan befragt. Damit werden diejenigen Jugendlichen erfasst, die in der Gemeinsprache als "Jugendliche aus dem Balkan" bezeichnet werden". Verwirrender geht es kaum. Obwohl die Autorinnen die Kritik des Begriffs "Westbalkan" als eine Etikettenf�lschung kennen und kroatische Jugendliche im Buch �berhaupt nicht vorkommen, massen sie sich an, eine wissenschaftliche Arbeit ohne wissenschaftliches Objekt zu schreiben.

Hier w�re auch der besonders hartn�ckige, auf der Ideologie des Jugoslawismus ruhende und auf fadenscheinigen Argumenten der Wissenschaftlichkeit begr�ndete Serbokroatismus zu erw�hnen. Obwohl er definitiv auf allen Ebenen gescheitert ist, wird der Serbokroatismus noch immer von gewissen Institutionen fern jeglicher Realit�t gepflegt und propagiert. Auch dies im Sinne einer Dem�tigung der Betroffenen.

Wir sind an einen Zeitpunkt gelangt, in welchem die Differenzierung gefragt ist. Unter den ausl�ndischen Mitbewohnern der Schweiz gab es auf einmal um die Jahrtausendwende Slowenen, Kroaten, Bosniaken, Serben, Albaner, Mazedonier, Montenegriner statt Jugoslawen. Es handelt es sich hierbei um die gleichen Menschen und ihre Nachkommen, die bereits vor f�nfzig, vierzig oder dreissig Jahren als Gastarbeiter oder politische Fl�chtlinge mit allen ihren guten und schlechten Eigenschaften in die Schweiz gekommen sind. Die absolute Mehrheit der Kinder hatte Erfolg in der Schule und sp�ter am Arbeitsplatz, war unauff�llig und unterschied sich kaum von ihren SchweizerkollegInnen.

Eine betr�chtliche Anzahl von traumatisierten Fl�chtlingen kam w�hrend der Kriegswirren anfangs der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts in die Schweiz. Sie haben nicht nur ihre Familien, sondern auch ihre Traumata mitgebracht. Sie wollten m�glichst schnell ihre neue Existenz aufbauen. Manche vergassen dabei, dass die menschliche Existenz sehr komplex ist und viel mehr als nur das Dach �ber dem Kopf bedeutet. Auch die Erziehung der Kinder zur Eigenverantwortung und zur Entscheidungsfreiheit geh�rt zum Aufbau der Existenz. Die Kinder erleben in der Schule tags�ber die eine Erziehung, am Abend, wenn die Eltern nach t�glichen Strapazen zu Hause sind, die gegenteilige mit dem patriarchalischen, manchmal gewaltt�tigen Vater und der aufopfernden Mutter.

Auch der �ffentlichen Propagierung der Gewalt m�sste strikt Absage erteilt werden. Ich habe vor ein paar Jahren in einem Postauto ein Plakat mit dem Satz gesehen: "Karte ziehen und keinen Mord mehr verpassen". Eine Zeitschrift wollte auf diese primitive Weise ihre k�nftigen Leser anwerben. Die Inkonsistenz ist f�r die Jugend�lichen schwer zu verarbeiten. Wo die jungen Immigranten zum Problem werden, darf man diesen Aspekt nicht �bersehen. Die Ursache der Bereitschaft zur Gewalt liegt im sozialen und nicht prim�r im ethnischen Umfeld, wenn auch in der Verhaltensweise und in der Aus�bung der Gewalt die ethnische Komponente eine sehr grosse Rolle spielen kann. Die Schwierigkeit, �ber die leidigen Vorkommnisse (Raserei, Diebstahl, Schl�gereien, Verbrechen, usw.) zu sprechen, liegt darin, dass die Beschuldigten sich verleumdet und in ihrer Identit�t bedroht f�hlen. Die Ann�herung m�sste auf der Akzeptanz des Anderen basieren. Diskriminierungen und Benachteiligungen zeugen von der Schw�che und Unsicherheit der Einzelnen oder der kleinen geschlossenen Kreise. Die Schweiz hat aber mehrmals bewiesen, dass sie die Ausl�nder aus wirtschaftlichen ja auch demographischen Gr�nden braucht und ihnen den entsprechenden Status zusichert.

Der Mensch ist auch ein Kulturwesen. Die Kultur ist eine formende Kraft, die uns nicht nur Sprache u.a., sondern auch sittliche Verantwortung beschert. Aus diesem Verantwortungs�gef�hl heraus entstand eine der grossen Errungenschaften der europ�ischen Neuzeit, n�mlich die Idee �ber den gerechten Feind (iustus hostis), womit die eigene �berzeugung relativiert und dem anderen das Recht auf analoge �berzeugungen einger�umt wird. Das ist ein langer Lernprozess, der dem Menschen hilft, aus seiner Schw�che herauszufinden. Das hier besprochene Buch Die "Jugo-Schweiz", das manchmal von Provokationen und Dramatisie�rungen nicht zur�ckschreckt, habe ich in diesem Sinne gelesen und empfehle es allen, die f�r eine zivilisierte Schweiz als Heimat der unterschiedlichen Menschen eintreten.

Tihomir Nui�

K�mpf, Philipp: Die "Jugo-Schweiz". Klischees, Provokationen, Visionen. R�egger
Verlag Z�rich/Chur 2008 (110 Seiten / Fr. 24.-- / EURO 15.50
ISBN 978-3-7253-0892-7) - Link: Gesamtverzeichnis - Detailanzeige


 

 

 


 

 


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