| 12.05.2010. Wer lacht denn da?Schwarze Balkan-Kom�dien
 
 Mit abgründigen  Humor lassen die gezeigten Komödien (1980 – 2008) aus Serbien, Kroatien,  Bosnien-Herzegovina und Mazedonien aus „Sorge Freude werden“ - Pusti brigu na  veselje:  „Ko to tamo peva“Wer singt denn da
 
  Jugoslawien 1980
 REGIE: Slobodan Sijan
 ***** „Maratonci tröe poöasni  krug“The Marathon Family
 
  Jugoslawien 1982
 REGIE: Slobodan Sijan
 ***** „U raljama �ivota“Les dents de la vie
 
  Jugoslawien 1984
 REGIE: Rajko Grlic
 ***** „Balkanski špijun“Balkan Spy
 
  Jugoslawien 1984
 REGIE: Dusan Kovacevic, Bozidar Bota Nikolic
 ***** „Otac na slu�benom putu“Papa ist auf Dienstreise
 
  Jugoslawien 1985
 REGIE: Emir Kusturica
 ***** „Mi nismo an�eli“We Are Not Angels
 
  Jugoslawien 1992
 REGIE, DREHBUCH: Srdjan Dragojevic
 ***** „Podzemlje - Bila jednom  jedna zemlja“Underground
 
  Frankreich / Deutschland / Ungarn / Bundesrepublik  Jugoslawien 1995,
 REGIE: Emir Kusturica
 ***** „Rane“Wounds
 
  Deutschland / Republik  Jugoslawien 1998
 Regie: Srdjan Dragojevic
 ***** „Crna ma�ka, beli ma�or“Chat noir, chat blanc
 
  Frankreich / Deutschland / Republik Serbien /  Österreich / Griechenland / USA 1998
 REGIE: Emir Kusturica
 ***** „Maršal“Marschall Titos Geist
 
  Kroatien 1999
 REGIE: Vinko Bresan
 ***** „Gori vatra“Bal-Can-Can
 
  Mazedonien, Italien, Grossbritannien 2005
 REGIE, DREHBUCH: Darko Mitrevski
 ***** „Nije kraj“Will Not Stop There
 
  Kroatien, Serbien 2008
 REGIE: Vinko Bresan
   Kinoprogramm auf Tournee              
                
                  | Basel  | 01. Mai – 31. Mai › Stadtkino Basel  |  
                  | Bern  | 08. Mai – 01. Juni › Kino Kunstmuseum  |  
                  | Zürich  | 21. Mai – 02. Juni › Kino Xenix  |  
                  | St. Gallen  | 01. Mai – 30. Juni › Kinok  |    Beim Klicken an die  nachfolgenden Linkskann man die  ausführlichen Angaben über die oben erwähnten Filme sehen:
 www.stadtkinobasel.ch / www.kinokunstmuseum.ch / www.xenix.ch / www.kinok.ch   Das Programm  entstand in Gemeinschaftsproduktion des Kino Kunstmuseum, Bern, dem Kino Xenix  in Zürich und dem Stadtkino Basel (kuratiert von Rosa Maino und Beat Schneider)  Die Veranstaltung  wird unterstützt von der Botschaft der Republik Serbien, Bern, der Kroatischen  Botschaft, Bern, der Mazedonischen Botschaft, Bern               *****               SCHWARZE  BALKANKOMÖDIEN (1980-2008) Filme wie Underground oder Chat noir, chat blanc sprühen vor unbändiger  Lebenskraft. Mit tiefschwarzem Humor wird in diesen überbordend üppigen und  musikgeladenen Filmen auch widrigsten Umständen getrotzt. Ist das aber  lediglich die Handschrift von Emir Kusturica oder zeigt sich hier ein Phänomen,  das sich auch in anderen Werken aus dem geografischen Raum des (ehemaligen)  Jugoslawien findet? Dieser Frage gehen wir mit unserem Balkan-Programm nach.  Tatsächlich weisen nicht nur die wichtigsten Filme und Kultklassiker der  achtziger Jahre wie Ko to tamo peva, The Marathon Family und Balkan Spy einen  abgründigen Balkanhumor auf, Spuren davon finden sich auch in aktuellen  Komödien aus Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Kroatien. Mit der Eingangssequenz von The Marathon Family (1982) führt der Regisseur  Slobodan Šijan die Zuschauer in die Irre: Auf die Einblendung der Jahreszahl  «1934» folgen Dokumentaraufnahmen Aleksandars I. Karadordevic (1888-1934), die  den jugoslawischen König während seines Staatsbesuchs in Frankreich zeigen. In  rascher Folge wechseln sich Aufnahmen der feierlichen Parade in Marseille, des  dortigen Attentats auf den König sowie des letzten Abschieds und der Beisetzung  in Jugoslawien. Erst dann wird durch eine Irisblende mit der Ankündigung «sechs  Monate später: eine Kleinstadt in Serbien» zum eigentlichen Film übergeleitet:  Er handelt von der Familie Topalovic, die seit sechs Generationen erfolgreich  eine Bestattungsfirma mit dem merkwürdigen Namen «Langes Absteigequartier»  führt und fest daran glaubt, dass der Tod auch wirtschaftlich das Einzige ist,  worauf man sich wirklich verlassen kann. Der dokumentarische Prolog lässt noch  nicht erkennen, dass The Marathon Family eine stark vom schwarzen Humor  gefärbte Tragikomödie ist, er kündigt aber das wesentliche Prinzip bereits an:  die Verschmelzung von Erhabenem und Alltäglichem, Komischem und Tragischem, von  Gut und Böse, Leben und Tod. Nur drei Jahre zuvor wäre diese Eingangssequenz  noch gar nicht möglich gewesen und mit Sicherheit der im zweiten,  sozialistischen Jugoslawien (SFRJ) offiziell nicht existierenden Zensur zum  Opfer gefallen. Zwar galten die Archivaufnahmen des Königs auch nach dem Tod  des «sozialistischen Königs» Josip Broz Tito im Jahre 1980 als skandalös und  entsprachen nicht dem konservativen Geschmack der politischen Kulturelite, sie  wurden aber dank einer Lockerung der Kontrolldisziplin in der SFRJ nicht  verboten. 
 Die 1980er Jahre brachten allgemein eine offenere und freiere Stimmung, in der  sich Drehbuchautoren und Filmemacher gerne mit viel schwarzen Humor Tabuthemen  zuwendeten – eine Haltung, die mit kleineren Unterbrechungen nun bereits 30  Jahre Tradition hat. Die Filmhelden von The Marathon Family, die den Tod für  eine «ansteckende Krankheit» halten, lösen nach wie vor, und nicht nur in  Serbien, Lachsalven aus. Der 1980 noch junge Regisseur Šijan bestätigte mit  seinem zweiten Spielfilm seinen Status als Kultregisseur, den er sich bereits  mit seinem Ko to tamo peva (1980) erworben hatte. Die Handlung seines Erstlings  könnte kaum einfacher sein und setzt ebenfalls «irgendwo in Serbien» ein: Eine  Busgesellschaft macht sich auf den Weg aus der serbischen Provinz in die  Hauptstadt, um nach einer Reihe von komischen Hindernissen am 6. April 1941  dort anzukommen, just an dem Tag, an dem die deutschen Truppen Belgrad  bombardierten. Mit jedem Vertreter dieses fahrenden Mikrokosmos schuf Šijan  eine gelungene Figur und einen überzeichneten Repräsentanten des damaligen  Jugoslawiens. Sein Film ist eine Metapher für jene Zeit, eine Allegorie des  Zerfalls und der damals vorherrschenden Mentalität. Der bis heute anhaltende  Erfolg des Films verdankt er in der Kombination bekannter Schauspielern mit  Laiendarstellern sowie der Fähigkeit des Regisseurs, Komik aus spontan  entstandenen Situationen zu entwickeln.
 
 Es ist kein Zufall, dass die Drehbücher für beide Filme Šijans aus der Feder  des bekannten Dramaturgen Dušan Kovacevic stammen, der schon in seinen  Theaterstücken die Zuschauer mit Sprachwitz begeisterte. Mit dem Film Balkanski  špijun führte Kovacevic 1984 erstmals auch Regie und sprach in einer bitteren  Gesellschaftskritik politisch heikle Themen an. Bata Stojkovic, das bekannteste  Gesicht der schwarzen Komödie, spielt hier einen ehemaligen Stalinisten, der  bei einem Aufenthalt im jugoslawischen Gulag – im Inselgefängnis «Goli otok» –  von seinen politischen Irrtümern mehr als «geheilt» wurde: Wegen seiner durch  die «Behandlung» entstandenen Paranoia sieht er in jedem Fremden, selbst in  seinem eigenen Untermieter einen potentiellen Feind. Nicht zuletzt dank der  gelungenen Besetzung mit Stojkovic erfreute sich der Film einer enormen  Popularität im ganzen Raum des damaligen Jugoslawiens. Eine weitere Vorlage für  einen Grosserfolg lieferte Kovacevic mit dem Drehbuch zu Underground (1995),  der an das Ende von Ko to tamo peva anknüpft. Die Szene der Bombardierung des  Belgrader Zoos, die in Šijans Film aufgrund der Staatstrauer um den eben  verstorbenen Präsidenten Tito noch nicht realisiert werden konnte, eröffnet  Emir Kusturicas Underground.
 
 Šijans Allegorie auf den Zerfall Jugoslawiens wird zum Hauptthema in Kusturicas  dreiteiligem Filmepos. Auf märchenhafte Weise und mit viel Humor erzählt er von  Sex und Liebe, Waffen und Gewalt, Ignoranz und Lügen in einer  Unterweltgesellschaft – eine Parabel über fünfzig Jahre jugoslawischer  Geschichte mit ihren blutigen Auseinandersetzungen. Zugleich aber, als hätte er  einen Liedtext aus Ko to tamo peva wörtlich genommen – («unglücklich bin ich  von klein auf, ich singe nur aus Leid, liebe Mutter, ich wünsche mir, dass dies  nur ein Traum wäre», singt dort ein Roma-Duo) – untermalt er auch in  Underground die derb-düstere Realität mit mitreissender Roma- und Balkanmusik.  Die leidenschaftliche von Goran Bregovic komponierte Musik und die lebhaft  bunten Feste knüpfen an die Tradition des mittlerweile zerstörten Landes an und  plädieren für das Leben, für mehr Menschlichkeit und gegen jede Art von  Manipulation. Bereits mit seinen ersten Filmen in den 1980er Jahren hatte sich  Emir Kusturica, der Rocker aus Sarajevo, Absolvent der berühmten Prager  Filmhochschule FAMU und zweimaliger Gewinner der Goldenen Palme, einen Namen  als phantasievoller, eigenwilliger und bildgewaltiger Filmautor gemacht. Bis  heute geniesst er als einer der wichtigsten Vertreter des Autorenkinos  weltweites Ansehen.
 
 Der schwarze, aber tief menschliche Humor ist auch typisch für die Filme der  jüngeren Regisseure in den Nachfolgestaaten der Nachkriegszeit. So etwa in der  bosnischen Tragikomödie Gori vatra (2003) von Pjer �alica: jener irrwitzigen  Metamorphose einer kleinen, feindseligen Provinzstadt in eine grossartige,  multikulturellen Bühne der Demokratie und Toleranz. Mafia-Geschäfte im  Balkan-Stil, Korruption, Prostitution und ethnische Intoleranz sind auch in  Will Not Stop There (2008) des kroatischen Regisseurs Vinko Brešan  allgegenwärtig. Entstanden als kroatisch-serbische Koproduktion, trägt dieser  Film zum Versöhnungsprozess bei und lässt hinter der skurril-absurden Fassade  eine herzerwärmende Liebesgeschichte zwischen einem kroatischen Kriegsveteranen  und einer serbischen Pornodarstellerin entstehen.
 
 Im ständigen Wechsel komischer und ernsthafter Situationen werden tragische  Momente und Tabuthemen in ihrer Kritik ad absurdum geführt oder bewusst  verharmlost, um ein positives Ende möglich erscheinen zu lassen. Mit bekannten  Schauspielern, aber auch mit eigenwilligen Laiendarstellern, phantasievollen  Szenerien und mit viel Sprachwitz wird das Unerträgliche erträglich, der  schwarze Humor zum Ventil, ganz im Sinne der populären Redewendung «Lass die  Sorge Freude werden» (Pusti brigu na veselje). / Tatjana Simeunovic
 Für das Portal: Zvonimir Mitar
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