Hrvatski Portal u �vicarskoj
Home Doga�aji Forum Linkovi Tvrtke Sport Putovanja Turizam
 
   
  


 

Der europ�ische Mantel
Von John Banville

Europa – Wie weiter?
Mitte der 1970er Jahre wollte es der Zufall, dass ich ein Spitalzimmer mit einem irischen Farmer teilte. Beide hatten wir eine kleine Operation hinter uns – bei mir waren es die Nebenhöhlen, bei ihm der Blinddarm –, und die paar Tage gemeinsamer Rekonvaleszenz verliefen recht angenehm. Er war ein cleverer Bursche, dieser Mr. Agricola, und er vermochte mir mancherlei Dinge zu erhellen, wobei es nicht nur um Kühe und Getreide ging. So war er nachgerade ein Experte in Sachen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft – so hiess das damals –, in die Irland unlängst aufgenommen worden war. Sein Spezialgebiet waren natürlich die Agrarsubventionen der EWG, von denen er mit ungläubig-beglücktem Staunen erzählte. So viel Geld ganz umsonst, man brauchte nur die Hand hinzuhalten!
..
Mr. Agricola wurde einen Tag vor mir entlassen. Zum ersten Mal sah ich ihn in Strassenkleidung, und ich war beeindruckt vom Schnitt seines Mohair-Anzugs und vom Glanz seiner italienischen Schuhe. Das eigentliche Prunkstück seiner Garderobe war jedoch ein üppiger, edler Cashmeremantel. Als ich meiner Bewunderung Ausdruck gab, gestand mein Zimmergenosse – etwas verschämt –, dass er zweitausend Pfund dafür hingelegt hatte. Ich schluckte leer; ich japste nachgerade. In jenen Tagen hätte der Betrag gut und gern als Anzahlung für ein neues Haus gereicht. Das Lächeln, das sich über Mr. Agricolas Zahnlücken breitete, war gleichermassen selig und verschlagen. «Gott segne Brüssel», flüsterte er vergnügt, und weg war er.

So viel Geld ganz umsonst. Denn was haben wir damit getan? Die Industrie erlebte einen Aufschwung, wenigstens eine Zeitlang; einige von uns sind sehr reich geworden und haben sich Cashmeremäntel gekauft; wir haben ein paar Strassen gebaut; wir haben Schulden gemacht. Nichts davon sah wirklich nach Verschwendung aus. Wir hatten derart lang in dürftigen Verhältnissen gelebt, materiell wie geistig – da war es doch nichts als natürlich, dass auch wir einmal zu etwas Wohlstand, ein wenig Luxus kommen sollten. Klar, in den achtziger Jahren standen wir einmal dicht vor dem finanziellen Abgrund, aber wir wussten, dass wir die Krise mit ein bisschen – oder eher mit ziemlich massiver – Hilfe von Brüssel meistern würden. Und tatsächlich, wir schafften es, und nicht nur das: Gegen Ende der neunziger Jahre wälzten wir uns förmlich im Geld.

Waren wir dankbar gegenüber unseren geduldigen Gläubigern in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien? Sahen wir uns als Teil einer grossen Europäischen Gemeinschaft? Wandten wir unseren Blick, der jahrhunderte lang westwärts auf Amerika fixiert gewesen war, nunmehr nach Osten? Sahen wir uns endlich als echte Europäer? Beim ersten Referendum über den Vertrag von Lissabon im Sommer 2008 beantworteten wir diese Fragen in einem Anfall wahnwitziger Leichtfertigkeit mit einem schallenden Nein. Damals brüllte der Keltische Tiger noch, und wir meinten, wir ganz allein hätten ihn grossgezogen. Aber als das arme Vieh im folgenden Jahr binnen ein, zwei Wochen dahinsiechte und starb, da realisierten wir plötzlich, wie kalt und nass es im Dschungel ist; hastig hangelten wir uns wieder in unseren europäischen Mantel und knöpften ihn zu bis unters Kinn. Aber die Kälte sitzt uns noch immer in den Knochen.

John Banville gilt weit über die Grenzen seiner irischen Heimat hinaus als einer der bedeutendsten Autoren im angelsächsischen Raum. Zuletzt sind auf Deutsch sein mit dem Booker Prize ausgezeichneter Roman «Die See» und unter dem Pseudonym Benjamin Black der Krimi «Der silberne Schwan» erschienen.
– Aus dem Englischen von as.

Quelle: NZZ Online, 10. Juli 2010

 Kontakt ako imate pitanja ili poznate neku interesantnu zanimljivost mo�ete nam se javiti e-mailom zanimljivosti@arhiva.croatia.ch

 

Untitled Document


Optimizirano za
Internet Explorer
| home | doga�aji | chat | linkovi | tvrtke | sport | putovanja | turizam |
(c) 2000 - 2008  http://www.arhiva.croatia.ch/ Sva prava pridr�ana.